
2. Projektjahr
bsj e.V. Marburg
Viele (Lern)Orte – überall. Kooperative Gestaltung neuer Lern- und Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen.
Zwischenbericht, 2. Projektjahr
Das Modellprojekt „Viele (Lern)Orte – überall“ basiert auf der Sozialraum- und lebensweltorientierten Jugendarbeit des bsj e.V. Marburg in der Kooperation mit zwei ganztägig arbeitenden Haupt- und Realschulen in Marburg. Erfahrungs-, Körper- und Bewegungsorientierte Aktivitäten bilden den Ausgangpunkt sozialer Arbeit des bsj e.V.
In der Kooperation mit Schulen werden Projekte durchgeführt mit dem Ziel, die Bildungschancen und Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern und Schulen hinsichtlich der lebensweltlichen Herausforderung zu unterstützten. „Viele (Lern)Orte – überall“ konnte als Projekt an bereits bestehende Kooperationen anknüpfen und die Zielsetzung der Kooperation auf die Förderung und Entwicklung partizipativer Grundhaltungen, Strukturen und Kompetenzen fokussieren.
Verortet wurde das Projekt an zwei Schulen, die hinsichtlich ihrer Entwicklung zur Ganztagsschule jeweils einen eigenen Weg gegangen sind. Im Verlauf des 2. Projektjahres hatte sich der verbindlich verlängerte Schulvormittag bis 15 Uhr an der Richtsberggesamtschule konzeptionell etabliert, während die Theodor-Heuss-Schule weiterhin ein freiwilliges Nachmittagsangebot vorhielt. Parallel wurde jedoch an der THS ein Modellvorhaben konzipiert, das u.a. vorsieht, die Trennung von Haupt- und Realschule aufzuheben und klassenübergreifendes Unterrichten ermöglichen soll. In diesem Zuge wird auch das Nachmittagsangebot weiter entwickelt und verstetigt.
In beiden Schulstandorten ging es im zweiten Projektjahr vorrangig darum, das Projektvorhaben in den jeweiligen Schulkonzepten zu verankern, eine Akzeptanz bei Lehrerschaft und Schüler/-innen zu erwirken und erste Handlungsansätze umzusetzen. Nachdem im 1. Projektjahr die Weiterentwicklung der SV-Arbeit im Fokus stand wurde im 2. Projektjahr der Blick insbesondere auf die Entwicklung von Nachhaltigkeit und Empowerment für die Kooperation und die Entwicklung partizipativer Strukturen und Haltungen gerichtet.
Theodor-Heuss-Schule (THS)
Zu Beginn des Schuljahrs 2008/2009 konnten u.a. auf Grund der Initiative des Projekts in den fünften Klassen Klassenräte eingeführt werden, um auf diese Weise den Schülerinnen und Schülern möglichst früh die Möglichkeit zu geben, positive Erfahrungen in Zusammenhang mit Beteiligungsmöglichkeiten zu geben, um so u.a. ihr Interesse zu wecken. Zuvor hatten die Klassenleitungen der damaligen 6. Jahrgangsstufe positive Erfahrungen mit den Klassenräten sammeln können.
Die Einführung der Räte soll nun im kommenden Schuljahr 2009/2010 mit den neuen fünften Klassen fortgesetzt werden, so dass sich diese Form der Beteiligung an der Schule institutionalisiert. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine gelingende SV-Arbeit an den Schulen sich nur entwickeln kann, wenn frühzeitiges „Demokratie lernen“ stattfindet. Dieser Aspekt findet durch die Einführung der Klassenräte zunehmend Berücksichtigung. Auch bedarf es Zeiten und Räume, damit Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gelingen kann. Hier müssen nach wie vor noch einige Defizite an der Schule festgestellt werden.
Die SV-Arbeit wurde auch im zweiten Projektjahr in Kooperation mit der SV-Lehrerin der Schule weitergeführt und durch den Projektmitarbeiter gefördert. Jedoch konnte die Arbeit auf Grund organisatorischer Schwierigkeiten (Wahl des SV-Lehrers, Wahl des Schulsprechers …) erst im Januar richtig beginnen. Um den Interessen der jüngeren Schülerinnen und Schüler angemessen nachkommen zu können, wurde die Schülervertretung zweigeteilt, so dass sich jeweils die Jahrgangsstufen 5-7 und 8-10 treffen. Zusammengeführt werden beide Gremien u.a. durch den Schulsprecher, der die Leitungen der Sitzungen übernimmt.
Mit dem Start in das neue Schuljahr wurde in Zusammenarbeit mit der Initiative für Kinder-, Jugend- und Gemeinwesenarbeit (IKJG), eine Mountainbike AG im Rahmen des Ganztagsangebots ins Leben gerufen. Ausgeschrieben für die 8-10. Klassen konnte mit diesem Angebot mit den 13-16jährigen eine Altersklasse und auch die Zielgruppe sozial benachteiligter Jugendlicher angesprochen werden, die durch die bisherigen Ganztagsangebote der Schule gar nicht oder nur wenig erreicht werden konnte. Höhepunkt und Abschluss der wöchentlich stattfindenden AG war die 1,5tägige Fahrradexkursion incl. „Outdoor-Übernachtung“ zu Ende des Schuljahrs. Aufgrund der hohen Nachfrage wird die AG auch im kommenden Schuljahr durchgeführt werden.

Ein weiteres Highlight des Schuljahrs war ein Projekt zur Toilettengestaltung mit Schülerinnen und Schülern der siebten Klasse. Schon während der Zukunftswerkstatt zu Beginn des Projekts im Schuljahr 2007/08 wurde deutlich, dass der Zustand und der Umgang mit den Toiletten den Schülerinnen und Schülern ein Anliegen ist. Während des vergangenen Jahres wurden hierzu an der Schule mehrere Vorgehensweisen diskutiert. Schließlich konnte mit finanzieller Unterstützung der Stadt eine Toilettengestaltung durchgeführt werden. In Zusammenarbeit mit Frau Hagen, einer Künstlerin aus Marburg, wurden die Toilettenräume der Sekundarstufe von den Schülerinnen und Schülern der siebten Klasse mit Mosaiken gestaltet. Hierdurch erlebten die Beteiligten, dass sie ihr Lebensumfeld (in diesem Fall die Schule) mitgestalten und verändern können. Zudem war eine starke Identifikation mit dem Ergebnis, das heißt, mit den neu gestalteten Toilettenräumen zu beobachten. Im Zeitraum zwischen Ende des Projekts und Beginn der Sommerferien konnte eine deutliche Verbesserung der „Toilettensituation“ verzeichnet werden.
Richtsberg-Gesamtschule (RGS)
Im zweiten Projektjahr lag der Fokus auf Nachhaltigkeit und Verstetigung der Kooperationsstrukturen und den Voraussetzungen für die Partizipation von Kindern und Jugendlichen.
Das zu Projektbeginn eingeführte Angebot der BLiZZ – Stunden (Bewegung und Lernen in individuellen Zeiten und Zonen,) an dessen konzeptioneller Entwicklung im Rahmen des Projektes intensiv mitgewirkt wurde, konnten nach einer Befragung der SchülerInnen durch die Schule, das Angebot passgenauer und bedarfsorientiert erweitert werden. Zwischenzeitlich reduzierte sich die Rolle des Mitarbeiters im Projekt auf eine eher beratende Funktion.
Im Kontext der BLiZZ-Angebote konnte sich eine Tischtennisgruppe im Rahmen des PKJS-Projektes etablieren. Durchgehend nahmen zwischen 7 und 10 Jugendliche aus der siebten Jahrgangstufe teil. Dabei lag das Interesse der Schüler/innen eher an einem Training mit Lernerfolgen als an einem Spielen mit weniger Leistungsorientierung. Im Rahmen der Möglichkeiten wurde dies von dem Jugendhilfemitarbeiter umgesetzt, wenn auch die zeitlichen und strukturellen Voraussetzungen hier gewisse Grenzen setzten.
Die Nutzung außerschulischer Lernorte ist an der Schule seit einigen Jahren konzeptionell verankert. So fand auch in diesem Jahr wieder das SV-Wochenende im außerschulischen Lernort Wolfshausen statt. Nach den Erfahrungen des letzten Jahres, wo durch den späten Zeitpunkt im Schuljahr wertvolle Zeit für die Umsetzung von Vorhaben verschenkt wurde, fand die Fahrt sehr früh im Schuljahr statt, damit für die Mitglieder der SV auch genügend Zeit blieb, um geplante Projekte umzusetzen. Im Mittelpunkt standen auch dieses mal wieder die Rechte und Pflichten einer SV. Seitens der Schüler/innen wurde Wert darauf gelegt, die Anwesenheit der Mitglieder der SV in offiziellen Gremien der Schule(z.B. Gesamtkonferenz) zu organisieren und für die Zukunft zu gewährleisten. Dies gelang teilweise. Durch die vielen Prüfungen und Präsentationen am Ende des Schuljahres, lies die Teilnahme der SV zu diesem Zeitpunkt an den Veranstaltungen deutlich nach.
Sehr positiv war auch in diesem Jahr der Besuch des Schulleiters beim SV-Wochenende. Er nahm sich Zeit, um ausführlich auf die Belange und Fragen der Schülervertretung einzugehen. Die Wertschätzung seitens der Schule die hierdurch den Schüler/innen entgegengebracht wurde ist ein Faktor, der sehr motivierend auf die Schüler/innen wirkt. Wertschätzung und Respekt gegenüber den Belangen von Kindern und Jugendlichen stellen unserer Erfahrung nach eine Grundvoraussetzung für gelingende Beteiligung von Schülerinnen und Schülern dar.
Auch das Projekt „Cool sein, cool bleiben“, ein Deeskalationstraining wurde wie auch schon im 1. Projektjahr mit allen 7. Klassen durchgeführt. Angestrebt wird eine verbindliche Verankerung des Angebotes im Rahmen der Unterrichtsgestaltung der 7 Klassen.
Erstmals durchgeführt wurde in diesem Jahr mit zwei 9. Hauptschulklassen das Angebot „City Bound“. Dabei hielt sich jede Klasse fünf Tage in der Jugendherberge in Dortmund oder Köln auf und startete von dort aus zu den erfahrungsorientierten Aktivitäten im Kontext einer Großstadt.
Die Schüler/innen kamen teilweise zum ersten Mal in Kontakt mit einer Großstadt. Sie mussten vielfältige Aufgaben bewältigen, die von Großgruppenaufgaben bis zur Einzelaufgabe reichten und bewegten sich am Ende sehr sicher und selbstbewusst in der Stadt. Inhaltlich stehen beim City-Bound-Konzept Themen wie Orientierung, Selbstbewusstsein und Toleranz im Mittelpunkt.
Die beiden Wochen wurden seitens der Schüler/innen, wie auch der Lehrkräfte als sehr positiv empfunden und wirkten sich förderlich auf das Sozialverhalten und die Lernbereitschaft im weiteren Verlauf des Schuljahres aus. Daher soll dieses Angebot auch in Zukunft für die 9 Hauptschulklassen vorgesehen werden. Eine angebotene Fortbildungsveranstaltung für Lehrkräfte zu „City - Bound“ kam dennoch mangels Nachfrage nicht zustande.
Fazit des 2. Projektjahres:
Zusammenfassend kann zur Durchführung des Projektes im 2. Projektjahr auswertend gesagt werden, dass die Kooperation mit Jugendhilfe an beiden Schulen fest etabliert ist. Derzeit gibt es Handlungsbedarf bei der Verstetigung und Nachhaltigkeit einzelner Projektbausteine und der konstruktiven Koordination der „Kooperationslandschaft“, wie auch der Ressourcenoptimierung seitens der Lehrkräfte. Dabei muss der Partner Jugendhilfe in Anbetracht der Grenzen des „Systems Schule“ Sorge tragen für die Beibehaltung der eigenen wertschätzenden Haltung gegenüber Schule und sich eine entwicklungsorientierte Sichtweise erhalten. Hinsichtlich der Etablierung von Partizipation bedarf es der Entwicklung frühzeitiger Formen des Demokratielernens und der Erfahrung des wertschätzenden und respektvollen Umgangs mit den Anliegen der Schüler/innen, die sich auch der Bereitstellung von Zeit und Raum für Beteiligung äußert.